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Psychologie politischer Reden und Kommunikation - Forschungsprojekt WORTSTROM - Quelle: www.wortstrom.net (Rubrik Annotation)
Vogel 28.10.1977 Bundestagsrede Gesetzesentwürfe zur Bekämpfung von Terrorismus u. Gewaltkriminalität sowie Schutz der inneren Sicherheit - im Wortlaut
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren!
19771028_Vogel_Hans-Jochen.txt
Terroristen
Die Größe der Gefahr, das Potential des Terrors, die Einwirkungsmöglichkeiten der Terroristen - das alles muß ohne Übertreibung, ohne Verharmlosung nüchtern und realistisch betrachtet werden.
Terrors
Ich muß aber genauso vor der Ansicht warnen, zur Abwehr des Terrors dürfe überhaupt kein Gesetz geändert werden.
"Landshut"
Hanns Martin Schleyer, die Passagiere der "Landshut": sie waren für die Terroristen nicht Individuen, die einen letzten Wert darstellen, sondern beliebig austauschbare Gegenstände, mit denen sie allein unter dem Gesichtspunkt ihrer Zwecke ohne jede Bindung an Recht und Regeln verfuhren.
Auseinandersetzung mit dem Terror
über das Kräfte- und Wirkungspotential des Terrors und über die Felder klarwerden, auf denen die Auseinandersetzung mit dem Terror zu führen ist.
Felder
Ich sehe vor allem drei Felder, auf denen die Auseinandersetzung geführt werden muß, nämlich das Feld der moralisch-politischen Auseinandersetzung mit dem Terror, seinen Ursachen und seinem Umfeld, das Feld des Gesetzesvollzuges und schließlich das Feld der Gesetzgebung.
Sympathisanten
Manches von dem, was heute unter dem Stichwort "Auseinandersetzung mit den Sympathisanten" geschieht, bewirkt eher das Gegenteil.
Auseinandersetzung
Ich freue mich, daß Herr Kollege Biedenkopf diese Geschmacklosigkeiten offen kritisiert und gesagt hat, dies sei das Gegenteil einer geistigen Auseinandersetzung.
Gegenteil
Auflistungen, die einen Patrioten wie Willy Brandt als einen schlechten Deutschen und die Bundesminister des Innern und der Justiz als Verharmloser des Terrors zu brandmarken versuchen, sind nicht nur peinlich, sondern bewirken das Gegenteil von dem, was zu bezwecken sie vorgeben.
moralisch-politische Auseinandersetzung
Die moralisch-politische Auseinandersetzung steht für mich im Vordergrund.
Siegfried Buback
Nicht nur, aber vor allem der Mord an Siegfried Buback hat ein solches Echo hervorgerufen.
Textstellen
Wer durch Auswahl entsprechender Textstellen zwischen dem Tod Siegfried Bubacks und seiner Begleiter, deren Witwen und Kinder heute im Laufe des Vormittags an unseren Beratungen auf der Tribüne teilnehmen werden, wer zwischen dem Tod dieser Menschen auf der Linkenheimer Straße in Karlsruhe und der Äußerung, daß der zaristische Gouverneur Romanoff auf dem Moskauer Straßenpflaster wie ein toller Hund verendet sei, einen Bezug herstellt, disqualifiziert sich in jeder Hinsicht.
Tod
Ich denke dabei an die Tatsache, daß dieser Nachruf von 43 Professoren, also beamteten, auf die Verfassung unseres Staates vereidigten Hochschullehrern in einem geradezu erbärmlichen Kontext unter schändlicher Vergleichung mit dem Tod eines zaristischen Polizeigouverneurs herausgegeben worden ist.
Vorgänge in Stammheim
Ich habe hier nicht die Absicht, im Detail auf die Vorgänge in Stammheim oder auch in anderen Anstalten einzugehen.
Hungerstreiks
Ich habe schon dargetan, daß wir es mit fanatischen, zu allem entschlossenen, menschenverachtenden Gegnern zu tun haben, mit Menschen, die - wie früher die Hungerstreiks zeigten und jetzt die Vorgänge in Stammheim zeigen - auch nicht vor dem Mittel der Selbstzerstörung zurückschrecken, wenn sie glauben, ihre Anhänger auf diese Weise zu neuen Gewalttaten mobilisieren und so den Kampf noch weiter verschärfen zu können.
Anstalten
Alle, die solchen Fanatikern - in welcher Funktion auch immer - entgegentreten, wissen, daß sie ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen: Deshalb müssen wir ihnen, müssen wir der Polizei, dem Verfassungsschutz, den Vollzugsbeamten in den Anstalten, die ich übrigens an dieser Stelle um Entschuldigung dafür bitte, daß ich sie vor kurzem in einem öffentlichen Interview als Wärter bezeichnet habe, ohne mir diesen Ausdruck weiter zu überlegen, und auch der Justiz das Gefühl der Solidarität vermitteln.
Hanns Martin Schleyer
Wir stehen unter dem Eindruck der jüngsten Entführungsfälle und unter dem Eindruck des Todes von Jürgen Schumann und von Hanns Martin Schleyer.
Todesstrafe
Ich war und bin ein Gegner der Todesstrafe.
Gegners
Dabei ist mir durchaus bewußt, daß sich diese Stimmen auch auf einzelne Äußerungen aus der Bundesrepublik stützen, auf solche aus früheren Zeiten, die Fehleinschätzungen erkennen ließen, aber auch auf aktuelle Äußerungen, die die Relationen außer acht lassen, die mehr die Beschädigung des politischen Gegners, das Begleichen alter Rechnungen als die Abwehr gemeinsamer Gefahr zum Ziele haben.
Gefahr
Auch sonst besteht die Gefahr, daß unbedachte sogenannte Gesetzesverschärfungen in unserem Volk im Augenblick zwar ein Gefühl der Erleichterung hervorrufen, aber dann, wenn sie, wie vorauszusehen, ihr Ziel verfehlen, alsbald nur noch tiefere Enttäuschung und tiefere Verdrossenheit gegenüber unserem Staat auslösen.
bewogen
Ich habe aber Verständnis für die Gefühlslage der Bürger, aus der die Forderung entspringt, und ich bin nicht bereit, die Bürger, die so etwas erörtern, in Bausch und Bogen als Barbaren oder als verkappte Faschisten zu betrachten: Aber, meine Damen und Herren, ich bin jederzeit bereit, diesen Bürgern mit Geduld die ethischen und rechtsphilosophischen Gründe gegen die Todesstrafe vorzutragen, die Argumente, die die Väter unseres Grundgesetzes zu einer fast einmütigen Entscheidung gegen die Todesstrafe bewogen haben.
Stand der Bearbeitung: 16.04.2017