Obama 24.04.2016 Rede anlässlich der Eröffnung der Hannover Messe - im Wortlaut Vielen herzlichen Dank. Hallo allerseits! Guten Abend. Ich danke Bundeskanzlerin Merkel, die eine großartige Partnerin und Freundin ist, für die Einladung hier nach Hannover. Es ist großartig, mit Ihnen die weltweit führende Industriemesse für die Technologien zu besuchen, die die Weltwirtschaft antreiben. Ich freue mich, dass die Vereinigten Staaten dieses Jahr – zum ersten Mal – das offizielle Partnerland der Messe sind. Es ist eine Ehre, der erste US-Präsident zu sein, der die Hannover Messe besucht. Es ist mir außerdem ein Vergnügen, zur Feier des 500. Jahrestags des Reinheitsgebots hier zu sein. Vielleicht feiere ich mit. Gemeinsam mit mir sind heute Wirtschaftsministerin Penny Pritzker und mehr als 350 amerikanische Unternehmen hier, darunter mehr als 200 mittelständische Unternehmen und Dutzende Wirtschaftsförderungsorganisationen aus Bundesstaaten, Städten und Kommunen in den Vereinigten Staaten. Und ich bin hier, wir sind hier, weil wir bereit sind, noch mehr Handel mit Deutschland, mit Europa und der Welt zu treiben. In vielerlei Hinsicht spiegelt diese Veranstaltung die umfassendere Geschichte des Bündnisses zwischen unseren beiden Ländern wider. Nach dem Zweiten Weltkrieg lag ein Großteil dieser Stadt und Europas in Schutt und Asche. Mithilfe des Marshallplans haben wir uns dann gemeinsam an den Wiederaufbau gemacht. Nur wenige Monate nach Ankündigung des Plans kamen Unternehmer und Investoren aus der ganzen Welt in einer Fabrik in Hannover zusammen um zu beraten, wie sie zu dem beitragen könnten, was später das deutsche Wirtschaftswunder werden sollte. Seit fast 70 Jahren kommt die Welt nach Hannover, um die Technologien zu erleben, die Menschen auf der ganzen Welt beispiellosen Wohlstand gebracht haben. Als Präsident habe ich daran gearbeitet, diesen Innovationsgeist in den Vereinigten Staaten zu erhalten. Wir haben die Produktionszentren der Zukunft und die Online-Instrumente geschaffen, die Unternehmern helfen, schneller eine Firma zu gründen. In den letzten sechs Jahren haben die Vereinigten Staaten mehr als 14 Millionen Arbeitsplätze im Privatsektor geschaffen, einschließlich hunderttausender Arbeitsplätze in der verarbeitenden Industrie. Hier auf der Hannover Messe werden Sie Bespiele für amerikanisches Wachstum und amerikanischen Erfindergeist sehen, unter anderem ein Elektroauto, das vollständig aus einem 3D-Drucker stammt. Angela, vielleicht können wir eine Spritztour machen! Ich muss allerdings erst den Secret Service fragen. Weil in der Weltwirtschaft ein so großer Teil des Wachstums und der Arbeitsplätze vom Handel abhängt, habe ich auch darauf hingewirkt, dass wir mehr Handel miteinander treiben. Deutschland ist seit Langem einer unserer größten Handelspartner. In meiner Amtszeit haben wir die US-Exporte nach Deutschland stark gesteigert und den bilateralen Handel um fast 40 Prozent erhöht, sodass er im letzten Jahr das Rekordniveau von 235 Milliarden US-Dollar erreicht hat. Die deutschen Investitionen in den Vereinigten Staaten tragen zum Erhalt von mehr als 600000 amerikanischen Arbeitsplätzen bei. Und auch Sie verkaufen mehr Produkte in die Vereinigten Staaten. Im vergangenen Jahr waren die Vereinigten Staaten zum ersten Mal seit Jahrzehnten der wichtigste Exportmarkt für deutsche Waren. Auf diesen Erfolgen müssen wir aufbauen. Wir sollten unsere Geschäftsverbindungen ausbauen, mehr miteinander handeln, mehr Arbeitsplätze für unsere Bürgerinnen und Bürger schaffen. Damit komme ich zur ersten Botschaft des Tages, denn ich weiß, dass heute Unternehmen aus aller Welt hier sind. Wenn Sie sich auf der Welt umschauen und überlegen, wo Sie investieren, wo Sie ein Unternehmen ansiedeln könnten, empfehle ich Ihnen, die Vereinigten Staaten von Amerika zu wählen – SelectUSA. Ich kann mir natürlich vorstellen, dass die Bundeskanzlerin ziemlich gute Argumente für Investitionen in Deutschland hat, und sicher gibt es gute Gründe dafür. Aber als Präsident der Vereinigten Staaten habe ich ebenfalls ziemlich starke Argumente. Also Angela, Sie verstehen sicherlich, dass ich jetzt allen hier die Vereinigten Staaten möglichst gut verkaufen werde. Mit mehr als 320 Millionen Menschen haben Sie in den Vereinigten Staaten Zugang zu einem der größten Weltmärkte. Unser Spitzenuniversitäten und Forschungszentren leisten über ein Viertel der weltweiten Forschung und Entwicklung. Wir vergeben pro Jahr ungefähr 300000 Gebrauchsmusterrechte für neue Fertigungsmethoden. Die Amerikaner gehören zu den produktivsten Arbeitnehmern der Welt; die Produktivität in der verarbeitenden Industrie ist stark gestiegen. Wir sind energieeffizienter geworden und haben so die Kosten gesenkt. Mit unserer Initiative SelectUSA – dem Abbau von Bürokratie, der Verschlankung von Vorschriften – ist es für Unternehmen wie die Ihren noch einfacher geworden, in die Vereinigten Staaten zu kommen und dort etwas aufzubauen. Das sind ziemlich starke Verkaufsargumente. Und damit komme ich zur zweiten Botschaft, die ich heute hier überbringen möchte. Die Vereinigten Staaten und die EU sind bereits durch die umfangreichsten Handels- und Investitionsbeziehungen der Welt miteinander verbunden. Unser Handel beläuft sich jeden einzelnen Tag auf drei Milliarden US-Dollar an Waren und Dienstleistungen. Wir investieren über vier Billionen US-Dollar in die Wirtschaft des jeweils anderen. Dieser Handel und diese Investitionen sichern etwa 13 Millionen Arbeitsplätze in unseren Ländern. Das sind gute Nachrichten. Was also ist das Problem? Wie Ihre Unternehmen wissen, gibt es noch immer zu viele Hemmnisse, die zusätzlichen transatlantischen Handel und Investitionen verhindern. Auch wenn die Zölle zwischen den Vereinigten Staaten und der EU im Durchschnitt relativ niedrig sind, gibt es für einige Produkte noch immer hohe, sehr hohe Zölle – das sind im Wesentlichen Steuern, die den Export und Verkauf erschweren. Unterschiedliche Regulierungen, Vorschriften und Standards – das alles treibt die Kosten in die Höhe, hindert Hersteller am Marktzugang und zwingt Unternehmen, für verschiedene Märkte unterschiedliche Versionen des gleichen Produktes herzustellen. Doppelte Tests und Prüfungen erhöhen die Kosten weiter. Zusammengenommen halten uns diese Hemmnisse zurück, sie verhindern intensiveren Handel, verstärkte Investitionen und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Aus diesem Grund haben die Vereinigten Staaten und die EU die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (T-TIP) vorangebracht. Ich weiß, dass Handel große Emotionen hervorrufen kann – in all unseren Ländern. Mit den Jahren bekamen einige Arbeitnehmer und Familien die Kosten zu spüren – die Kosten der Globalisierung und Automatisierung, die vor Ort entstehen. Arbeitsplätze wurden ins Ausland verlagert, ohne dass notwendigerweise die Vorteile des Handels zu sehen oder zu spüren waren, die weniger greifbar sind und breiter verteilt auftreten. Diese Ängste sind real und in einer Zeit wachsender Ungleichheit in vielen Industrieländern müssen wir uns mit ihnen auseinandersetzen. Die Antwort lautet aber nicht, die Zugbrücke hochzuziehen und den Handel zu beenden – das ist in einer globalen Wirtschaft nicht möglich. Die Antwort lautet vielmehr, aus der Vergangenheit zu lernen und den Handel richtig zu gestalten, mit hohen Standards für Arbeitnehmer, Verbraucher- und Umweltschutz. Diese Art von Handel streben wir mit dieser Partnerschaft an. T-TIP wird Zölle beseitigen, Verfahren vereinfachen, Unterschiede bei den Vorschriften überwinden und Bürokratie abbauen – all dies wird Handel und Investitionen erleichtern – auch für die kleinen Unternehmen, die so viele unserer Arbeitsplätze schaffen. Ich sage ganz klar: Durch T-TIP werden keine Standards gesenkt, die Standards werden vielmehr angehoben. Hohe Beschäftigungsstandards zum Schutz der Arbeitnehmer. Hohe Verbraucherschutzstandards sowie mehr Wahlmöglichkeiten. Hohe Umweltschutzstandards. Und noch etwas, das in unseren digitalen Volkswirtschaften sehr wichtig ist: Das Abkommen wird zur Gewährleistung eines freien und offenen Internets beitragen – dem größten Motor für Innovationen, den es auf der Welt je gab. T-TIP hat jedoch auch einen größeren, strategischen Nutzen. In einer Zeit, in der die Ungleichheit auf der Welt und auch in Europa zunimmt, wird T-TIP Wachstum in allen 28 Mitgliedsländern der EU, auch in Südeuropa, fördern. In einer Zeit, in der einige die Zukunft der europäischen Integration infrage stellen, wird T-TIP das stärkere, dauerhafte Wachstum fördern, das Europa benötigt, um Arbeitsplätze auch für junge Menschen schaffen zu können. In einer Zeit, in der andere Länder versuchen, den Welthandel zu ihrem Vorteil zu gestalten, haben unsere Länder, die beinahe die Hälfte der Weltwirtschaft ausmachen, die Chance, die Regeln für den Handel so festzusetzen, dass sie unsere Werte – Rechtsstaatlichkeit, Transparenz und Achtung der Menschenrechte – widerspiegeln. Und schließlich würde T-TIP Europa in dieser Zeit der Unsicherheit, in der andere Handel und Energie als Waffe einsetzen – und das gilt auch für Europa –, helfen, seinen Energiemarkt zu diversifizieren und die Energiesicherheit zu erhöhen. Aus all diesen Gründen würde die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft unsere umfassenderen transatlantischen Beziehungen stärken, die seit 70 Jahren Grundlage unseres Wohlstandes und unserer Sicherheit sind. Sie würde uns noch enger miteinander verbinden und uns helfen, das Leben der Menschen zu verbessern und das Vertrauen darauf, dass Demokratie Fortschritt bewirkt, erneuern. Abschließend möchte ich betonen, dass wir jetzt seit drei Jahren über T-TIP verhandeln. Wir haben wichtige Fortschritte erzielt. Aber die Zeit spielt gegen uns. Wenn wir die Verhandlungen nicht in diesem Jahr abschließen, kann es sein, dass baldige politische Veränderungen – in den Vereinigten Staaten und Europa – ein Abkommen erheblich verzögern. Ich weiß, es erfordert einige politische Überzeugungsarbeit. Aber wir müssen weiterhin unsere Argumente vorbringen, die Fakten betonen und Fehlannahmen korrigieren. Diese Chance dürfen wir uns nicht entgehen lassen. Jetzt ist der Zeitpunkt, T-TIP abzuschließen. Ich bin hier, um zu sagen, dass die Vereinigten Staaten bereit sind, alle Anstrengungen zu unternehmen, um noch in diesem Jahr ein ehrgeiziges und umfassendes Abkommen mit hohen Standards abzuschließen. Ebenso wie ich meine Bereitschaft gezeigt habe, politisches Kapital zu investieren, um den Handel auszuweiten, der Arbeitsplätze schafft, rufe ich die führenden Politiker in ganz Europa dazu auf, es Bundeskanzlerin Merkel und mir gleichzutun. Auf diese Weise können wir den Fortschritt aufrechterhalten, der hier in Hannover vor 70 Jahren begann. Auf diese Weise können wir die nächste Innovationswelle anstoßen und Arbeitsplätze schaffen, die das Leben der Menschen in unseren Ländern verbessern. Auf diese Weise können wir die Stärke unserer transatlantischen Beziehungen erhalten und eine Weltwirtschaft der Regeln und hohen Standards für kommende Generationen schaffen. Vielen Dank für diese Chance. Vielen Dank. Vielen herzlichen Dank.