Bosbach 18.10.2001 Bundestagsrede des stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion zum Thema "Sicherheit 21 - Was zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus jetzt zu tun ist" - im Wortlaut Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Antrag "Sicherheit 21 - Was zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus jetzt zu tun ist" legen CDU und CSU als erste Fraktion des Deutschen Bundestages ein umfassendes Konzept zur dringend notwendigen Stärkung der äußeren und inneren Sicherheit vor. Der international operierende religiös oder politisch motivierte Terrorismus, insbesondere jener, der von Staaten unterstützt und gedeckt wird, ist für die freie zivilisierte Welt eine existenzielle Bedrohung, auch für unser Land. Das haben wir schon vor Jahren festgestellt, ohne dass bis heute daraus die notwendigen Konsequenzen gezogen worden sind. Ich zitiere aus dem Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses "Plutonium": Möglicherweise wächst eine neue Form der Bedrohung heran, sollte es sektiererischen Organisationen, die mit genügend Finanzmitteln, geeigneter Infrastruktur, technologischem Wissen und der nötigen Entschlossenheit ausgestattet sind, nur noch um Vernichtung von Mensch und Material ohne rational erfassbare Zielsetzungen gehen. Es muss doch allen in diesem Hause zu denken geben, dass die meisten Spuren der fürchterlichen Anschläge vom 11. September außerhalb der USA ausgerechnet in Deutschland zu finden sind. Wer trotz dieser Lage immer noch nicht begreift oder nicht begreifen will, dass wir verpflichtet sind, wirklich alles Notwendige zu tun, um unser Land vor dem Terrorismus und anderen Formen der Kriminalität wirksamer zu schützen, ist verantwortungslos. Wir sind nun schon seit Wochen Zeugen der koalitionsinternen Auseinandersetzungen über die notwendigen und teilweise schon seit Jahren überfälligen Maßnahmen für mehr Sicherheit. Die innere Unsicherheit der Koalition über das, was jetzt zu tun ist, darf nicht die Sicherheit des Landes gefährden. Entscheidend sind nicht die starken Worte des Innenministers, sondern starke Taten. Auch hierbei gilt das, was im Leben immer gilt: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Bei der Sicherheit darf es keine Kompromisse geben. Wenn eine Maßnahme notwendig ist, dann muss sie umgesetzt werden, und zwar sofort. Es darf nicht sein, dass notwendige Entscheidungen nur deshalb nicht getroffen werden, weil die Grünen Vorstellungen haben, die - zumindest teilweise - schlicht abwegig sind. Der freiheitliche Rechtsstaat wird nicht von denen gefährdet, die für mehr Sicherheit plädieren, sondern von denen, die uns glauben machen wollen, dass Freiheit und Sicherheit Gegensätze seien. Wir müssen immer die Balance zwischen möglichst viel Freiheit auf der einen und einem hohen Maß an Sicherheit auf der anderen Seite halten; aber Freiheit und Sicherheit sind keine Gegensätze. Wer glaubt, dass weniger Sicherheit mehr Freiheit bedeutet, bringt - ob bewusst oder unbewusst - Frieden und Freiheit in Gefahr. Beim Kampf gegen den Terror gibt es kein Patentrezept. Aber vor allem muss sich endlich auch einmal außerhalb der Unionsfraktion die Erkenntnis durchsetzen, dass wir in allen Fragen der Sicherheit eine andere Haltung einnehmen müssen. Wir müssen unsere Bundeswehr wieder bündnisfähig machen. Bündnisfähigkeit beweist man nicht durch die Zustimmung zu Auslandseinsätzen, sondern nur dadurch, indem man die Bundeswehr endlich personell und technisch so ausstattet, dass sie die ihr übertragenen Aufgaben wahrnehmen kann. Das ist nicht der Fall und muss geändert werden. Die Soldaten der Bundeswehr leisten für unser Land und das Bündnis einen unverzichtbaren Dienst. Schon heute befinden sie sich zur Erhaltung des Friedens auf dem Balkan in schwierigen Einsätzen. Sie haben dort mitgeholfen, dem Morden Einhalt zu gebieten. Terroristen sind Mörder, Soldaten sind es nicht. Dass man das Gegenteil dennoch in Deutschland straffrei sagen kann, ist und bleibt für CDU und CSU unerträglich. Wir wollen, dass unsere Soldaten endlich den Ehrenschutz erhalten, der ihnen gebührt. Die Bundesregierung hat in der letzten Zeit mehrfach betont, nach dem 11. September sei nichts mehr so wie zuvor. Wir nehmen die Regierung beim Wort und erwarten, dass sie jetzt endlich den Widerstand gegen einen besseren Ehrenschutz für unsere Soldaten aufgibt. Wir wollen die rechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Bundeswehr in besonderen Gefährdungslagen ihre ganz spezifischen Fähigkeiten zur Abwehr von Gefahren auch im Inland einsetzen kann. Das ist zurzeit nur sehr bedingt möglich. Der in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf der Militarisierung der inneren Sicherheit ist und bleibt grober Unfug. Die Bundeswehr soll die Polizei nicht ersetzen, sondern unterstützen. Wir müssen uns entscheiden, ob es dabei bleiben soll, dass wir trotz besonderer, völlig neuer Bedrohungen für unsere Sicherheit die besonderen Fähigkeiten der Bundeswehr weiterhin auch dann nicht nutzen wollen, wenn wir sie im Inland dringend brauchen. Wer dies kategorisch ablehnt, handelt unverantwortlich. Die vor wenigen Tagen erhobene Forderung der Vorsitzenden der Bündnisgrünen nach einem Ende der Bombenangriffe der USA steht nicht nur im Gegensatz zu der uneingeschränkten Solidarität, die wir zugesichert haben und auf die Amerika einen Anspruch hat, sondern ist auch schon von der Wortwahl her verräterisch. Es handelt sich nämlich nicht um eine Aggression, sondern um Prävention. Amerika greift nicht an, Amerika ist angegriffen worden. Es ist das gute Recht der Vereinigten Staaten, sich zu verteidigen, und zwar auch mit militärischen Mitteln. Selbstverständlich können wir auf die Angriffe und die Herausforderungen des Terrorismus nicht nur militärisch reagieren, wir brauchen auch politische Maßnahmen und humanitäre Hilfe. Wer aber in dieser Situation die Solidarität mit Amerika infrage stellt oder gar aufkündigt, schadet unserem Verhältnis zu den USA, dem Bündnis und damit Deutschland. Unser Dank gebührt allen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten des Bundes und der Länder, die nun schon seit vielen Wochen ganz außergewöhnlichen Belastungen ausgesetzt sind und weit mehr als nur ihre Pflicht tun. Auch des wegen müssen wir so genannte Trittbrettfahrer überführen und mit der ganzen Härte des Gesetzes bestrafen. Wer in dieser Lage Straftaten androht oder vortäuscht, die Menschen in Angst und Schrecken versetzen, Polizeikräfte bindet und sie damit von ihren eigentlichen Aufgaben abhält, begeht kein Kavaliersdelikt, sondern entfaltet eine kriminelle Energie, die hart bestraft werden muss. Das von der Bundesregierung vorgelegte Maßnahmenpaket für mehr Sicherheit ist jedenfalls in der vorliegenden Form nicht ausreichend. Insbesondere fehlen konkrete Maßnahmen für eine erleichterte Ausweisung straffälliger, extremistischer Ausländer. Wir können es nicht länger zulassen, dass unter dem Deckmantel der Humanität oder der Religionsfreiheit Extremisten oder Terroristen ihr Unwesen in Deutschland treiben oder gar Straftaten verüben. Es genügt doch nicht, über 32000 bekannte extremistische Islamisten nur zu beobachten. Vielmehr müssen wir aus deren Taten Konsequenzen ziehen, das heißt konkret, deren Aufenthalt in Deutschland ein Ende machen. Wir müssen das Ausländerrecht deswegen so ändern, dass extremistische und straffällige Ausländer leichter ausgewiesen werden können, als dies derzeit möglich ist. Wir sind ein weltoffenes, liberales und tolerantes Land. Das wollen wir auch bleiben. Wenn wir das aber bleiben wollen, dann darf es niemals Toleranz für Intoleranz geben. Danke, dass Sie mir zugehört haben.