Kohl 10.11.1988 Bundestagserklärung zu den Ergebnissen seines offiziellen Besuchs in der Sowjetunion - im Wortlaut Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein offizieller Besuch in der Sowjetunion vom 24. bis 27. Oktober 1988 diente dem beiderseitigen Ziel, in der Geschichte beider Staaten und Völker ein neues, zukunftsgewandtes Kapitel zu beginnen. Dieses Ziel ist nach Aussage beider Seiten erreicht worden. In meiner Begleitung reisten die Bundesminister Genscher, Scholz, Kiechle, Riesenhuber und Töpfer sowie die Kollegen Dregger und Rühe. Mitglieder meiner Delegation waren führende Vertreter der deutschen Wirtschaft, die Vorsitzenden Heinz-Werner Meyer und Roland Issen als Vertreter der Gewerkschaften, führende Wissenschaftler, Persönlichkeiten des kulturellen Lebens sowie die Präsidenten unserer Organisationen der Kriegsopfer, der Hinterbliebenen und der Kriegsgräberfürsorge in der Bundesrepublik Deutschland. Stärke und auch Zusammensetzung der Begleitung spiegeln den Wunsch unserer Bevölkerung wider, in unseren Beziehungen zur Sowjetunion in allen Bereichen der Politik, der Wirtschaft, der Wissenschaft, der Kultur und des gesellschaftlichen Lebens einen neuen Anfang zu setzen, und verdeutlichen die außerordentliche Vielfalt der Themen, bei denen wir uns Fortschritte in den Beziehungen vorgenommen haben. Lassen Sie mich diesen Besuch zunächst in einen größeren Rahmen stellen: - in den Rahmen der jüngsten Entwicklung der deutsch-sowjetischen Beziehungen, - der Dynamik der europäischen Einigung, - der zunehmend günstigeren Großwetterlage zwischen West und Ost und - der Politik der "Umgestaltung" in der Sowjetunion. Die von mir geführte Bundesregierung hat ihr Amt zu einem Zeitpunkt angetreten, an dem die mit der Entspannungspolitik der siebziger Jahre verknüpften Hoffnungen durch eine sowjetische Politik, die den Erwartungen der westlichen Partner zuwiderlief, zerstoben waren. Im Innern verstärkte sich die Repression - ich erinnere an das Schicksal Professor Sacharows und vieler anderer Sowjetbürger. In der Außenpolitik setzte sich die ungehemmte Expansion in Regionen der Dritten Welt fort - ich erinnere an Afghanistan. In der Rüstungsentwicklung verstärkte die Sowjetunion ihren zielbewußten Aufbau neuer Bedrohungen, wodurch entgegen allen anderslautenden Versicherungen dem Westen das Recht auf gleiche Sicherheit verweigert und unser Land bedroht wurde. Der sowjetische Generalstabschef Achromejew hat am 25. Juni dieses Jahres in einer Pressekonferenz in Moskau auf die Frage nach den "schwersten Fehlern sowjetischer Außenpolitik" auf die "Militarisierung des Denkens" und auf das "sinnlose Hochrüsten" verwiesen. Die Bundesregierung hat dennoch seit ihrer Amtsübernahme im Oktober 1982 in allen Regierungserklärungen als unverrückbares Ziel erklärt, - daß für uns, die Bundesrepublik Deutschland, das Verhältnis zur Sowjetunion als unserem größten und wichtigsten östlichen Nachbarn von zentraler Bedeutung ist, - daß wir die geschlossenen Verträge und Vereinbarungen nach Geist und Buchstaben erfüllen und ausbauen wollen und - daß wir bereit und entschlossen sind, unsere Beziehungen auf allen Gebieten, wo dies im beiderseitigen Interesse möglich ist, zu entwickeln. Unser langfristiges Ziel war und ist noch heute eine über die Verständigung der Regierungen hinausreichende Versöhnung der Völker. Jeder weiß, daß sich in den frühen achtziger Jahren der Ost-West-Gegensatz in einem Maße verschärfte, daß die Vorzeichen für solche politischen Ziele nicht eben günstig waren. Jeder weiß, daß wir auch bilaterale Rückschläge erlitten haben, weil die sowjetische Regierung bis 1987 versuchte, die beiderseitigen Beziehungen ausschließlich auf Fragen der Sicherheit und der Abrüstung zu beschränken. Wir haben indes auch in schwieriger Zeit an unserem Ziel festgehalten. Heute, da die Sowjetunion selber diese Periode als "Stagnation" bezeichnet, hat ein Prozeß begonnen, der dazu führt, daß auch die Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland neu überdacht werden. Sichtbarer Ausdruck dieser Entwicklung waren der Staatsbesuch des Herrn Bundespräsidenten im Sommer 1987, die vielfältigen wechselseitigen Besuche von Fachministern und die Verabredung des Besuchsaustauschs zwischen Generalsekretär Gorbatschow und mir im März dieses Jahres. Dabei waren sich beide Seiten einig, daß diese Besuche keine Einzelereignisse bleiben dürfen, sondern daß mit meinem Besuch der regelmäßige Dialog auf höchster Ebene wieder aufgenommen wird. Für diesen Dialog sind jetzt die Weichen gestellt. Es ging und geht uns darum, das Fundament des Vertrauens zwischen beiden Staaten und ihren Regierungen zu verbreitern und darauf aufbauend einen Zustand guter Nachbarschaft dauerhaft zu begründen. Ein weiterer Bezugsrahmen für meinen Besuch ist die jüngste Entwicklung in Europa. Seit Beginn dieses Jahres ist auch den Kleingläubigen klar: Die Europäische Gemeinschaft entwickelt sich mit neuer, mit großer Dynamik. Die Vollendung des Binnenmarktes 1992 ist in realistische Nähe gerückt. Gleichzeitig haben sich unter unserer EG-Präsidentschaft die Europäische Gemeinschaft und der Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe einander angenähert. Bilaterale Abkommen der Europäischen Gemeinschaft sind mit RGW-Staaten, wie zum Beispiel mit Ungarn, abgeschlossen worden. Auf gutem Weg sind solche Vereinbarungen insbesondere mit der Sowjetunion. Der Beitrag der Bundesrepublik Deutschland, diese Vereinbarungen zustande zu bringen, ist von Generalsekretär Gorbatschow und von Ministerpräsident Ryschkow ausdrücklich gewürdigt worden. Es ist selbstverständlich, meine Damen und Herren, daß diese europäische Dynamik, die früheren sowjetischen Prognosen zuwiderläuft, auch in Moskau und in den Staaten des östlichen Wirtschaftssystems zu Reaktionen führen mußte: Zu den Befürchtungen, daß die zwischen den EG-Staaten abgebauten Binnengrenzen nun nach außen um so höher wieder aufgerichtet werden, habe ich in Moskau mit aller Klarheit festgestellt, daß es eine "Festung Europa" mit uns nicht geben wird. Zu der Sorge, daß sich die westeuropäische Integration im Bereich der Sicherheitspolitik zu einer neuen Bedrohung der östlichen Nachbarn entwickeln könnte, habe ich erklärt, daß sich diese Entwicklung gegen niemand richtet; sie dient vielmehr dem Frieden und der langfristigen Stabilität ganz Europas. Dabei habe ich insbesondere die deutsch-französische Zusammenarbeit gewürdigt - als ein historisches Beispiel dafür, daß sich eben nicht nur Regierungen verständigen, sondern auch Völker alte Erbfeindschaften überwinden und sich versöhnen können, und deutlich gemacht, daß sie aus unserer Sicht - als Keimzelle der europäischen Einigung und als Motor dieser zukunftsgerichteten Entwicklung zu verstehen ist. Ich habe es als besondere Genugtuung empfunden, daß ich bei meinen Moskauer Gesprächen über diese Fragen an die Gespräche des italienischen Ministerpräsidenten De Mita vor einem Monat anknüpfen konnte. Ich bin sicher - wir sprachen bis in die letzten Tage darüber -, daß auch Staatspräsident Francois Mitterrand, mit dem ich mich ja am Vorabend meines Moskau-Besuchs und in der vergangenen Woche erneut abgestimmt habe, bei seinem eigenen Moskau-Besuch Ende dieses Monats dieses Thema in dem eben genannten Sinne bei der Darstellung unseres gemeinsamen Standpunkts bekräftigen wird. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auf ein Besuchsergebnis hinweisen. Mit führenden Mitgliedern der sowjetischen Akademie der Wissenschaften habe ich vereinbart, daß führende Wissenschaftler aus den Staaten der EG und des RGW - und unser Land wird dafür gern die Initiative übernehmen - sich bald treffen und über die Auswirkungen des Binnenmarktes 1992 sowie über die Möglichkeiten, diese Dynamik für alle Europäer zu nutzen, eine wissenschaftlich fundierte Analyse erarbeiten sollen. Daß wir bei dieser Arbeit die europäischen Neutralen und Ungebundenen nicht ausschließen wollen, ist für uns selbstverständlich. Die parallel dazu vorgetragene Anregung der sowjetischen Seite, daß sich auch die Außenminister von EG und RGW, von NATO und Warschauer Pakt, treffen, werden wir mit unseren Partnern diskutieren und bald besprechen. Der dritte, ganz entscheidende Bezugsrahmen meines Besuchs ist die Entwicklung des West-Ost-Verhältnisses insgesamt. Vier Gipfeltreffen der USA und der Sowjetunion in drei Jahren sind Sinnbild für eine dynamische Aufwärtsbewegung, die in der Nachkriegsgeschichte ihresgleichen sucht. Ich habe diese Entwicklung seit meiner ersten Regierungserklärung vor sechs Jahren immer wieder gefordert, und ich fühle mich in diesem politischen Kurs heute bestätigt. Frucht dieser Gipfeldiplomatie ist nicht nur der historische INF-Vertrag, sondern - ich zitiere das Kommunique des ersten Gipfeltreffens Reagans und Gorbatschows in Genf - die Entschlossenheit, Dialog und Zusammenarbeit auf breiter Grundlage, auf allen Feldern zu verstärken. Wir als Europäer waren von Anfang an entschlossen, in gleichgerichteten Anstrengungen unseren Beitrag zu einer Grundsanierung des West-Ost-Verhältnisses zu leisten. Hierüber gab und gibt es bei unseren Freunden und Verbündeten keine Meinungsunterschiede. Nach meinem Besuchsaustausch mit der ungarischen Führung, nach dem Besuch des bulgarischen Staatsratsvorsitzenden in unserem Land und dem Staatsbesuch des Herrn Bundespräsidenten Ende dieses Monats, nach meiner Begegnung mit Generalsekretär Honecker und meinem Besuch in Prag zu Beginn dieses Jahres war die Zeit einfach reif für diesen nächsten wichtigen Schritt: für die Wiederaufnahme des deutsch-sowjetischen Dialogs auf höchster politischer Ebene. Lassen Sie mich an dieser Stelle auch betonen, daß es mein Wunsch, daß es mein Wille ist, möglichst bald auch mit der Volksrepublik Polen zu dauerhaftem Ausgleich zu gelangen und den Weg für die Verständigung und Versöhnung der Völker und insbesondere auch der Jugend zu ebnen. Was ich selbst dazu beitragen kann, werde ich gerne tun. Meine Damen und Herren, wir wollen in einer schwierigen Situation nach Wegen suchen, unseren in Rumänien lebenden Landsleuten in jeder nur denkbaren Weise zu helfen. Mit der von Generalsekretär Gorbatschow ins Werk gesetzten Reformpolitik, die er mit den Begriffen "Umgestaltung", "Offenheit" und "Demokratisierung" betreibt, ist eine weitere Rahmenbedingung meines Besuches abgesteckt. Ich habe gegenüber dem Generalsekretär ausdrücklich bekräftigt: Wenn diese Politik der sowjetischen Führung für uns alle und nicht zuletzt für uns Deutsche mehr Chancen zur Verständigung und Zusammenarbeit bietet, findet sie unsere Sympathie und Zustimmung. Wir sind bereit - bei klarem Verständnis der fortbestehenden Unterschiede in den politischen und gesellschaftlichen Ordnungen -, durch praktische Zusammenarbeit im Interesse der Menschen unseren Beitrag zu leisten, diese Politik voranzubringen; denn, meine Damen und Herren - ich will dies unterstreichen -, ein Erfolg dieser Politik liegt langfristig auch in unserem Interesse. Dies ist nicht nur die Überzeugung der Bundesregierung; dies ist insbesondere auch das Ergebnis der Gespräche und der Kontakte, die die Mitglieder meiner Delegation in Moskau gehabt haben. Dabei darf ich insbesondere auf ein langes Gespräch hinweisen, das Ministerpräsident Ryschkow mit führenden Vertretern unserer Wirtschaft führte und in dem er mit außerordentlicher Offenheit die Konzeption, aber auch die Probleme und Widerstände der Umgestaltung in seinem Land schilderte. Aber gerade durch diese Offenheit ist hier sicherlich die Vertrauensbasis erweitert worden. Daß wir auch in diesem Punkt in Gleichklang mit unseren Freunden und Verbündeten stehen, zeigen nicht zuletzt die Kreditabschlüsse der letzten Wochen. Unter ihnen hat der 1-Milliarde-Rubel-Kredit, den ein Bankenkonsortium unseres Landes gewährt und der während meines Besuchs in Moskau unterzeichnet wurde, zwar eine gewisse Vorreiterrolle gespielt. Inzwischen sprechen aber andere westliche Bankenkonsortien bereits über höhere Beträge. Ich wiederhole: Wir begrüßen diese gemeinsame Einschätzung unseres Interesses, die Umgestaltung der Sowjetunion durch vernünftige Zusammenarbeit zu begleiten. Wie weit der Prozeß der Umgestaltung bereits fortgeschritten ist, aber auch auf welche schwierigen konzeptionellen und praktischen Fragen er stößt, davon konnte ich mich besonders in einem außergewöhnlich eindrucksvollen Gespräch mit dem Präsidenten und den Mitgliedern der Akademie der Wissenschaften überzeugen. In den Ausführungen der Nationalökonomen auf der sowjetischen Seite standen die Stichworte "Markt", "Wettbewerb" und "Pluralismus" im Vordergrund. Ludwig Erhard, meine Damen und Herren, wurde als ein Klassiker der Nationalökonomie gewürdigt, die von ihm ins Werk gesetzte Währungsreform als Lehrstück über den Übergang von der Kriegswirtschaft zur Sozialen Marktwirtschaft hervorgehoben. Ich sage dies gerne all jenen, die hierzulande eine Rückkehr in den Steinzeitsozialismus proklamieren. - Ich weiß gar nicht, warum Sie sich aufregen. Ich denke, Sie, Herr Kollege, gehen als wirtschaftspolitischer Sprecher nachher ans Pult und folgen den Mitgliedern der sowjetischen Akademie und sagen: Auch wir waren immer für Erhard. Das wäre doch ein wichtiger Beitrag. Beeindruckt hat mich auch bei diesem Gespräch die Nüchternheit der Analyse, die Offenheit, mit der Schwierigkeiten angesprochen wurden, aber auch die Entschlossenheit, den jetzt eingeschlagenen, aber schwierigen Weg fortzusetzen. Gemeinsam haben wir festgestellt, daß neben den unverzichtbaren Kriterien der wirtschaftlichen Wissenschaften die Psychologie nicht vernachlässigt werden darf, das heißt konkret, daß die Menschen mit ihren schöpferischen Energien, mit ihren Hoffnungen und ihren Wünschen sich in dieser wirtschaftlichen Entwicklung auch wiederfinden müssen. Die Menschen in der Sowjetunion standen auch im Mittelpunkt eines Gespräches mit Professor Andrej Sacharow und seiner Frau Elena Bonner. Großer Ernst, aber auch unverkennbarer Optimismus prägten diese Begegnung. Die Umgestaltung fördert offensichtlich auch den Respekt - das ist eine unserer gemeinsamen Hoffnungen - für Menschen- und Bürgerrechte, auch wenn wir beobachten müssen, daß dieser Prozeß zuweilen noch recht mühsam vorankommt. Professor Sacharow sagte, daß sich die Lage gebessert habe und weiter bessere und daß er die Hoffnung habe, daß möglichst bald alle politischen Häftlinge freigelassen werden. Diese Aussage und die gleichgerichteten Versicherungen des sowjetischen Außenministers Schewardnadse gegenüber Bundesminister Genscher, daß bis zum Jahresende alle Personen, die der Westen als politische Häftlinge ansehe, freikommen würden, haben mich bewogen, einem Anliegen der sowjetischen Führung entgegenzukommen: Wir sind bereit, im KSZE-Rahmen nach Menschenrechtskonferenzen in Paris und Kopenhagen auch eine solche Konferenz in Moskau mitzutragen, wenn - dies will ich deutlich unterstreichen, das ist die Voraussetzung - diese den Standards, die die vorausgegangenen Treffen setzten, folgt und wenn auch weitere inhaltliche Fragen und Voraussetzungen geklärt sind. Meine Damen und Herren, obwohl ich meinen Besuch bewußt in diesen weitgespannten Rahmen stelle, muß ich zugleich betonen, daß ich heute nur eine Zwischenbilanz ziehen kann. Denn von Anfang an war vereinbart, daß mein Besuch in Moskau und der Gegenbesuch Generalsekretär Gorbatschows eine Einheit bilden werden. Wir erwarten den Generalsekretär, wie ich denke, in der ersten Hälfte des kommenden Jahres. Ich glaube aber, schon die Zwischenbilanz kann sich durchaus sehen lassen. Das Gesprächsprogramm, das meine Kabinettskollegen und ich in Moskau absolvieren konnten, war von großer Dichte. Ich selbst habe mit Generalsekretär Gorbatschow weit über zehn Stunden unter vier Augen und im Delegationskreis gesprochen. Wir haben in einem außerordentlich offenen und angenehmen und auch freundlichen Gesprächsklima die Themen abgesteckt: Wir haben über die geschichtlichen Grundlagen unserer Beziehungen gesprochen. Wir haben unsere Entschlossenheit bekräftigt, an die guten und an die konstruktiven Traditionen der gemeinsamen Geschichte anzuknüpfen. Wir waren uns einig über die Bewertung unserer Gespräche und darin, daß jetzt die Chance gegeben ist, ein neues Kapitel mit vielen positiven Seiten zu eröffnen. Wir haben die Zukunftsperspektiven erörtert. Hier hebe ich insbesondere unsere Verabredung hervor, auch über den Gegenbesuch von Generalsekretär Gorbatschow hinaus uns regelmäßig zu treffen und die persönlichen Kontakte in verschiedenen Formen aufrechtzuerhalten. Wir haben vor allem auch über die Entwicklung in Europa gesprochen und über die kulturelle und menschliche Dimension, die diese Entwicklung bekommt. Generalsekretär Gorbatschow hat seine Idee eines "gemeinsamen Hauses Europa" umrissen und immer wieder betont, daß selbstverständlich die USA und Kanada dazugehören, daß die Bündnissysteme unberührt bleiben und die unterschiedlichen Gesellschaftsordnungen gegenseitig respektiert werden sollten. Ich habe ihm geantwortet, daß aus unserer Sicht dieses "Haus Europa" nur dann einen Sinn macht, wenn dieses Haus, um im Bild zu bleiben, viele Fenster und Türen hat, wenn die Menschen frei zueinander kommen können, wenn nichts und niemand den Austausch von Gütern und von Ideen, von Wissenschaft und Kultur hemmt - dann bin ich und sind wir alle mit diesem Bild gerne einverstanden. Wir haben sehr intensiv auch über unsere Vision eines gemeinsamen Europas, einer europäischen Friedensordnung diskutiert, die alle Europäer in gemeinsamer Freiheit zusammenführt und die für uns immer auch die Verbundenheit mit den nordamerikanischen Demokratien einschließt, einer Friedensordnung, in der alle Länder und Völker in friedlichem Wettbewerb miteinander leben und in immer engerem Austausch einander begegnen, einer Friedensordnung, in der jeder sein Auskommen hat und in der unsere natürlichen Lebensgrundlagen pfleglich behandelt werden, einer Friedensordnung, deren Voraussetzung die Achtung von Menschenrecht und Menschenwürde ist. Generalsekretär Gorbatschow und ich waren uns einig, daß für das Europa der Zukunft, an dem wir bauen wollen, der Helsinki-Prozeß Bauplan und Hausordnung sein kann. Wir waren uns einig, kurzfristig alle Anstrengungen darauf zu konzentrieren, daß das Wiener KSZE-Folgetreffen mit einem ausgewogenen, substantiellen Abschlußdokument beendet wird und daß zu diesem Abschluß auch die Verabredung eines weiteren Forums über Vertrauens- und Sicherheitsbildende Maßnahmen sowie des Mandats für Verhandlungen über konventionelle Stabilität in ganz Europa gehören. Ebenfalls waren wir uns einig, daß diese Verhandlungen über konventionelle Stabilität möglichst noch in diesem Jahr beginnen sollten. Für den Vorschlag des Generalsekretärs, ein Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs unter Teilnahme der USA und Kanadas einzuberufen, habe ich mich offen gezeigt, dabei aber betont, daß solche Konferenzen ungewöhnlich gründlich vorbereitet werden müßten und vorher eine klare Verständigung über Themen und Zielsetzungen notwendig sei. Wir erwarten hierzu in Kürze sowjetische Erläuterungen. Das gilt auch für das angekündigte Zentrum zur Verminderung der Kriegsgefahr. Die beiden Außenminister haben dieses Thema weiter vertieft. Der Kollege Genscher wird hierzu noch Näheres erläutern. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich an dieser Stelle auch hervorheben, daß mit dem Bundesminister Scholz erstmals ein Verteidigungsminister der Bundesrepublik Deutschland Moskau besucht hat. Ich habe gegenüber Generalsekretär Gorbatschow angeregt, den sowjetischen Verteidigungsminister Jasow im nächsten Jahr in seine Delegation einzuschließen, und er hat diesen Vorschlag sehr positiv gewürdigt und aufgenommen. Auch die Verteidigungsminister haben in einem konstruktiven Gespräch ihr Augenmerk auf die konventionellen Ungleichgewichte in Europa gerichtet und dabei sowohl quantitative als auch qualitative Kriterien dieser Politik erörtert. Einig waren sie sich darin, daß die bestehenden Asymmetrien auf dem Wege der Abrüstung und der Rüstungskontrolle beseitigt werden müssen. Meine Damen und Herren, Nüchternheit und Sachlichkeit prägten auch die Gespräche über Abrüstung und Rüstungskontrolle, die ich in Moskau mit Generalsekretär Gorbatschow hatte, die Bundesminister Genscher und Bundesminister Scholz mit ihren jeweiligen sowjetischen Kollegen führten. Generalsekretär Gorbatschow und ich waren uns einig, daß wir von den Realitäten auszugehen haben und versuchen sollten, uns auf das Machbare, das heißt auf das Nächstliegende, zu konzentrieren. Generalsekretär Gorbatschow will mit seinem Willen zur Abrüstung ernstgenommen werden. Er pocht auf das Prinzip der Gegenseitigkeit als ein wesentliches Kriterium für die Abrüstung. Dies muß selbstverständlich auch für uns gelten. Das Nächstliegende, meine Damen und Herren, ist der Abschluß des Wiener KSZE-Folgetreffens mit einem Mandat für Verhandlungen über konventionelle Stabilität in ganz Europa sowie über neue Vertrauens- und Sicherheitsbildende Maßnahmen. Dort sind jetzt nicht nur Worte, sondern von allen Seiten Taten gefordert. Generalsekretär Gorbatschow will keine Verhandlungen an den laufenden und noch zu schaffenden Rüstungskontrollforen vorbei, sondern erklärte, daß sachdienliche Beiträge zum erfolgsorientierten Verhandeln in diesen Foren auch von seiner Seite geleistet werden. Er hat auch - ich will auch dies wegen mancher öffentlicher Äußerungen in diesen Wochen sagen - nicht etwa mit Vorschlägen zum Tauschhandel mit einseitigen, aber unkontrollierten Truppenreduzierungen im Gegenzug für bündniswidriges "Wohlverhalten" gelockt. Im Gegenteil: Es gilt die Verabredung, sich im Rahmen der Bündnisse für gemeinsame, für vernünftige Lösungen auf dem Wege zu einer sicheren Welt mit weniger Waffen einzusetzen. Dabei soll auf den Grundprinzipien des INF-Vertrags aufgebaut werden: Wer mehr Waffen hat, muß mehr abrüsten, und erst strikte Überprüfung schafft Vertrauen. Meine Damen und Herren, nichts verdeutlicht besser die außerordentlich breite deutsch-sowjetische Themenpalette - als die Fachgespräche, die die fünf Kabinettskollegen und die Staatssekretäre in Moskau geführt haben, - die sechs Verträge und Abkommen, die wir unterzeichnet haben und - die Fülle von Absichtserklärungen zu weiteren Verhandlungen und Projekten, die in einer Abgestimmten Mitteilung über die Besuchsergebnisse festgehalten sind. Lassen Sie mich hervorheben: Erstens: Generalsekretär Gorbatschow und ich waren uns einig, daß angesichts grenzüberschreitender Gefährdung unserer Umwelt gemeinsames Handeln auch im deutsch-sowjetischen Verhältnis geboten ist. Das Umweltschutzabkommen ist deshalb ein besonders notwendiges, aber auch in die Zukunft weisendes Instrument, im Interesse aller unserer europäischen Nachbarn Luft, Boden und Gewässer - und ich denke hier insbesondere an die Ostsee - von gegenwärtigen Belastungen zu befreien und unseren Nachkommen in einem besseren Zustand zu hinterlassen. Zweitens: Mit dem Abkommen über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit bei Erforschung und Nutzung des Weltraums zu friedlichen Zwecken vertiefen wir die Zusammenarbeit. Wir freuen uns auf eine gemeinsame Raumflugmission sowjetischer Kosmonauten und eines Wissenschaftsastronauten oder einer Wissenschaftsastronautin aus der Bundesrepublik Deutschland. Unser wissenschaftliches Potential - das war bei diesen Gesprächen erkennbar - macht uns dabei zu einem besonders geschätzten Partner. Drittens: Mit dem Abkommen über die Förderung von Unternehmenszusammenarbeit im Bereich der Nahrungsmittelindustrie werden wir einem Schwerpunkt des sowjetischen Reformprogramms Rechnung tragen und ihn in einer guten Weise abstützen. Viertens: Mit der Vereinbarung über die Verhütung von Zwischenfällen auf See außerhalb der Hoheitsgewässer nach dem Vorbild entsprechender Abkommen der USA und Großbritanniens haben wir erstmals ein militärisch relevantes Abkommen mit der Sowjetunion geschlossen. Es wird nach unserer Überzeugung helfen, den Zustand guter Nachbarschaft - das gilt insbesondere für den Bereich der Ostsee - zu stabilisieren. Fünftens: Unser Abkommen über die frühzeitige Benachrichtigung bei nuklearen Unfällen und den Informationsaustausch über Kernanlagen geht wesentlich weiter als das von der Internationalen Atomenergie-Organisation in Wien entworfene Musterabkommen: Unser Ziel ist die Verhütung von Störfällen durch erhöhte Sicherheitsstandards. Dazu ist ein konkreter Sicherheitsvergleich bestehender Kernkraftwerke auf beiden Seiten vereinbart worden. Sechstens: Nicht zuletzt eröffnet das erste Zwei-Jahres-Programm zum deutsch-sowjetischen Kulturabkommen von 1973 ein breites Feld des Austauschs und der Zusammenarbeit. Darüber hinaus ist verabredet, Verhandlungen über einen Austausch von Kulturinstituten aufzunehmen - ein Schritt, der angesichts der großartigen kulturellen Tradition beider Völker und ihres Beitrags zum kulturellen Erbe Europas längst überfällig ist. Der Schwerpunkt der Abschlüsse auf wirtschaftlichem Gebiet lag diesmal bei unseren Privatunternehmen und ihren sowjetischen Partnern. Die rund 30 Abschlüsse, die von traditionellen Liefergeschäften bis zu neuen Formen der Kooperation gingen, insbesondere Joint Ventures, werte ich als eine wichtige Aussage darüber, was die Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage des gegenseitigen Nutzens zur Entwicklung der sowjetischen Volkswirtschaft beitragen kann. Wir können dabei bekanntlich auf einer jahrzehntealten Erfahrung und einem erheblichen Vertrauen unserer Partner auf diesem Feld aufbauen. Besonders befriedigt bin ich - das will ich hervorheben - darüber, daß bei dieser Zusammenarbeit vor allem die mittelständische Wirtschaft voll einbezogen wird. Meine Kollegen und ich haben uns in Moskau nachdrücklich für bessere Arbeitsbedingungen für die deutschen Geschäftsleute und vor allem für bessere rechtliche Rahmenbedingungen für Gemeinschaftsunternehmen eingesetzt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Verabredung, daß bis zum Gegenbesuch des Generalsekretärs im nächsten Jahr ein Abkommen über Schutz und Förderung von Investitionen unterschriftsreif verhandelt wird. Ich will das besondere Interesse der Bundesregierung an zwei Projekten betonen, deren Bedeutung über den Rahmen der wirtschaftlichen Beziehungen hinausgeht: Zum einen geht es um ein Zentrum für Industrie und Handel, kurz "Haus der deutschen Wirtschaft" genannt, das als Gemeinschaftsunternehmen in Moskau eingerichtet werden soll. Eine entsprechende Verabredung wird in nächster Zeit unterzeichnet. Dieses Projekt steht für eine langfristig angelegte, enger werdende wirtschaftliche Zusammenarbeit. Es ist unerläßlich und von besonderem Wert für die mittleren und kleineren Unternehmen unseres Landes, die, wie ich in Moskau immer wieder betont habe, gerade durch Flexibilität und Innovationskraft einen wichtigen Beitrag zu den deutsch-sowjetischen Beziehungen leisten können. Zum anderen nenne ich mein Angebot, im Rahmen eines Drei-Jahres-Programms von 1989 bis 1991 und auch auf der Grundlage von Pilotprojekten jährlich rund 1000 junge Sowjetbürger zu Studium, Aus- und Fortbildung, insbesondere im Managementbereich, sowie zu Informationsreisen in die Bundesrepublik Deutschland einzuladen. Ich verbinde mit diesem ersten Schritt die Hoffnung auf deutliche Fortschritte beim Jugend- und Schüleraustausch zwischen der Sowjetunion und der Bundesrepublik Deutschland. Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sind uns einig, daß eine Intensivierung dieses Austauschs eben nicht nur den fachlichen Kenntnissen beider Seiten zugute kommt, sondern vor allem auch das menschliche Miteinander fördert. Generalsekretär Gorbatschow und alle seine Mitarbeiter haben diesen Vorschlag ausdrücklich begrüßt und sich bereit erklärt, ihren Beitrag zu leisten. Ich wäre dem Hohen Hause dankbar, wenn wir die notwendigen Mittel bereits in den Bundeshaushalt 1989 einbringen könnten. Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich bin in Moskau auch für mehr Begegnungen zwischen dem Deutschen Bundestag und dem Obersten Sowjet eingetreten. Wir haben unseren Wunsch nach mehr Begegnungen der Kirchen, der Gewerkschaften und anderer wichtiger gesellschaftlicher Gruppen deutlich gemacht, den Wunsch nach Städtepartnerschaften und vor allem auch nach einem verbesserten Kontakt der Medien. Ich hoffe, daß sich die positiven Äußerungen auch bald in entsprechenden Aktionen niederschlagen. Ausdrücklich, meine Damen und Herren, würdige ich, daß in den Tagen meines Moskauer Besuchs die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik und das Institut für Europa der Akademie der Wissenschaften ein regierungsunabhängiges Gesprächsforum vereinbart haben, zu dem selbstverständlich auch die Vertreter der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien gehören werden. Als einen Schlußpunkt dieser Liste erwähne ich meine Verabredung mit Generalsekretär Gorbatschow, beim Gegenbesuch im nächsten Jahr ein gemeinsames Dokument zu unterzeichnen, das, aufbauend auf den Erfahrungen des Moskauer Vertrages, diesen konzeptionell weiterentwickeln und Perspektiven des deutsch-sowjetischen Verhältnisses im Rahmen eines immer enger zusammenwachsenden Europa aufzeigen wird. Ich habe Generalsekretär Gorbatschow in all diesen Gesprächen gesagt: In der Perspektive eines Europa, das seine alten Wunden heilt, das sich auf seine geschichtliche und kulturelle Einheit besinnt, gemeinsame Wege in die Zukunft sucht, wollen auch wir als Deutsche die Teilung unseres Vaterlandes überwinden. Ich habe betont, - daß Krieg und Gewalt für uns kein Mittel der Politik sind, - daß wir die bestehenden Verträge ohne Wenn und Aber achten, - daß aber der Zusammenhalt der Deutschen und die Einheit unserer Nation zu den menschlichen und zu den politischen Realitäten unseres Kontinents gehört, an denen auf Dauer niemand vorbeigehen kann. Ich habe deutlich gemacht, - daß wir deshalb am Auftrag unseres Grundgesetzes und am Ziel unserer Politik festhalten, so wie sie anläßlich der Unterzeichnung des Moskauer Vertrages im Brief zur Deutschen Einheit erläutert wurde - ich zitiere -: "auf einen Zustand des Friedens in Europa hinzuwirken, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangt". Ich habe mit Generalsekretär Gorbatschow auch sehr intensiv und mit großem Ernst über die Lage in und um Berlin gesprochen. Meine Damen und Herren, Berlin ist in die geschlossenen Verträge sowie in die sich intensivierende Zusammenarbeit insgesamt voll einbezogen. Generalsekretär Gorbatschow und ich haben vereinbart, daß die Außenminister auf der Grundlage des Viermächte-Abkommens für die noch offenen Fragen praktikable Lösungen erarbeiten. Sie wissen, daß hier die Unterschiede im Grundsätzlichen nicht überbrückt sind. Der Generalsekretär hat dies in seiner Tischrede mit großer Klarheit festgestellt. Wir haben jedoch in unseren Gesprächen Einigkeit erzielt, daß Unterschiede im Grundsätzlichen nicht den Weg zu praktischen und vor allem für die Menschen sinnvollen und vernünftigen Lösungen versperren dürfen. In dieser Perspektive weise ich darauf hin, daß Generalsekretär Gorbatschow ebenfalls in seiner Tischrede erklärt hat, die Sowjetunion sei nicht gegen die Teilnahme der Stadt am europäischen und internationalen Verkehr und sei bereit, ihre spezifischen Interessen in Wirtschaft und im kulturellen Leben in Rechnung zu stellen. Hier, meine Damen und Herren, sehe ich politischen Gestaltungsraum, den wir im Einvernehmen mit den Mächten, die für Berlin und Deutschland als Ganzes besondere Verantwortung tragen, ausloten müssen. Das ist eines der wichtigen Ziele für die nächste Zeit. Ich bin mir darüber im klaren, daß auch dieses Feld schwierig bleibt. Wie vor meinem Moskau-Besuch warne ich auch heute vor unrealistischen Erwartungen. Aber wir werden in unserem Einsatz für eine Zukunftsfrage unserer Nation nicht nachlassen. Meine Damen und Herren, zu den menschlich bewegenden Begegnungen in der sowjetischen Hauptstadt gehörte mein Treffen mit Vertretern der deutschen Minderheit und mit Aussiedlern, die in unserer Botschaft gerade ihre Pässe und Ausreisepapiere in Empfang nehmen konnten. Beide Begegnungen spiegeln positive Entwicklungen wider, die noch vor wenigen Jahren, ja, noch vor einigen Monaten unvorstellbar gewesen wären. Auch hier hat sich beharrliche Arbeit im stillen ausgezahlt. Wir wollen uns weiterhin bemühen, die Lage unserer Landsleute, die dort leben - zum Teil seit zehn, zwölf Generationen - insbesondere in kultureller und religiöser Hinsicht nachhaltig zu verbessern, und wir wollen alles tun, den Aussiedlern, die zu uns kommen, den Start in einer neuen Heimat zu erleichtern. Ich würdige ausdrücklich das Verständnis, das ich bei der sowjetischen Führung für diesen besonderen Wunsch der Deutschen gefunden habe. Meine Damen und Herren, in seiner abschließenden Bewertung unserer Begegnung hat Generalsekretär Gorbatschow davon gesprochen, daß wir in den deutsch-sowjetischen Beziehungen anläßlich dieses Besuchs in Moskau eine "große Wende" erlebt und mitgestaltet haben. Ich will mir dieses Wort zu eigen machen und ergänzen: Wir wollen die günstigen objektiven Voraussetzungen, die ich angesichts der weltpolitischen Entwicklung eingangs umrissen habe, nach besten Kräften nutzen, um unsere Beziehungen auf eine neue, höhere Stufe zu stellen. Wir wollen den politischen Willen darauf konzentrieren, das jetzt realistisch Machbare mit großer Energie auf den Weg zu bringen und dabei über unvermeidbare Schwierigkeiten im Detail die große Zielsetzung nicht übersehen. Wir wollen dazu beitragen, daß sich das Klima in unseren Beziehungen im Interesse des West-Ost-Verhältnisses insgesamt freundlicher entwickelt und daß wir zum Nutzen aller unserer europäischen Nachbarn einen Zustand guter Nachbarschaft dauerhaft begründen. Die Bundesregierung und ich selbst sind fest entschlossen, hierzu unseren Beitrag zu leisten. Meine Damen und Herren, die Voraussetzungen für weitere Fortschritte im West-Ost-Verhältnis stehen heute so günstig wie kaum je zuvor in der Nachkriegszeit. In diesen Tagen hat das amerikanische Volk George Bush zu seinem 41. Präsidenten gewählt. Ich darf ihn auch von dieser Stelle aus zu seiner Wahl sehr herzlich beglückwünschen. Ich wünsche ihm ein erfolgreiches Wirken für den Frieden und die Freiheit seines Landes. Aus vielen persönlichen Begegnungen in den letzten Jahren mit ihm weiß ich, daß George Bush ein Freund unseres Landes ist und daß ich in ihm bei unseren Gesprächen einen Partner haben werde, der mit Nüchternheit und Weitblick - den von Ronald Reagan beschrittenen historischen Weg der Abrüstung und Rüstungskontrolle konsequent weitergehen wird, - der die amerikanisch-sowjetischen Beziehungen auf allen Feldern mit neuem Schwung weiterentwickeln und - für Achtung von Menschenrecht und Menschenwürde in allen Staaten auch unseres Kontinents kämpfen wird. Wir setzen darauf, daß nach den Konfrontationen des Kalten Krieges und nach den Verwerfungen der sogenannten Stagnationszeit nunmehr auf unserem Kontinent eine Chance für mehr Dialog und Zusammenarbeit eingeleitet ist, die es West und Ost ermöglicht, sich auf gemeinsame Zukunftsaufgaben zu konzentrieren, die es West und Ost ermöglicht, ihrer Verantwortung gegenüber den Völkern der Dritten Welt gerecht zu werden und an einer friedlichen Zukunft für alle Länder und Völker zu bauen. Nicht Kleingläubigkeit und nicht Blauäugigkeit, sondern ein solides, Schritt für Schritt begründetes Vertrauen ist der Schlüssel in diese Zukunft. Die Bundesregierung wird alles tun, daß wir auf diesem Weg gemeinsam entschlossen vorankommen.